C.S. Lewis beschreibt in seiner Autobiographie Überrascht von Freude: „ich habe noch niemals eine Autobiographie gelesen, in der nicht die Teile, die sich mit den frühen Jahren befassten, die bei Weitem interessantesten gewesen wären.“
Daher ist es zu bedauern, dass die frühen Jahre Albinis weitgehend im Dunkeln bleiben.
Sicher ist: Charles Dominique wurde am 20. November 1790 in Menton nahe Nizza geboren. Seine Eltern hatten acht Kinder - die meisten davon erreichten das Erwachsenenalter nicht.
In den Akten des diözesanen Seligsprechungsprozesses – mehr als 50 Jahre nach seinem Tod - wird er aus der fernen Erinnerung als lebhafter, mitunter übermütiger Charakter beschrieben, der sich schon früh für religiöse Fragen interessierte und eifrig den Gottesdienst besuchte – Formulierungen, die über viele spätere Priestern- und Ordensleuten getroffen wurden. Man möchte sagen: Kindheit, unauffällig.
Das frühe Sterben beider Eltern macht Charles schon mit 15 Jahren zum Vollwaisen, der bei seinem drei Jahre älteren Bruder lebte. Seit 1814 wurde der Junge in der Pfarrei St. Michael als Kleriker geführt. 1810 trat er ins Priesterseminar in Nizza ein.
Ab diesem Zeitpunkt werden die Berichte über Albini dichter. In einem Priesterseminar, mit dem es nicht zum Besten stand, scheint er hervorgestochen zu haben: In den Berichten des Seminarleiters an die französische Regierung wird Charles als „sehr gelehrig, fromm und strebsam“ beschrieben – nur bei ihm werden diese drei Eigenschaften gleichzeitig festgehalten.
Aber: Nachdem er 1814 zum Priester geweiht wurde, erhielt er zunächst keine feste Stelle. Stattdessen kehrte in seine Heimatstadt Menton zurück, wo er in der Pfarrei mitarbeitete - in der damaligen Zeit war das allerdings keine ungewöhnliche Situation; durch die Aufhebung der Klöster während der Revolution gab ein Überangebot an Priestern gab.
Eine erste feste Anstellung erhielt er 1821 bis 1823 als Kaplan bei den Hospitalschwestern in Carnolès bei Menton – doch scheint die Oberin bei aller Hochschätzung des jungen Geistlichen nicht durchgehend mit ihm zufrieden gewesen zu sein.
Nach der Auflösung des Hauses Carnolès kehrte er als Hilfspriester nach Menton zurück. Von dort wurde er im November 1823 zum Professor für Moraltheologie ins Priesterseminar von Nizza berufen.
Anfang Juli 1824 kamen die Missionare der Provence nach Nizza: Eugen von Mazenod hielt zusammen mit einem anderen Mitglied der Gemeinschaft eine zweiwöchige Mission für 150 Männer; dabei wurden sie von ortsansässigen Klerikern unterstützt, unter anderem von Albini.
Der war tief vom Eifer und der Begeisterung der Missionare beeindruckt – und wollte deswegen der Gemeinschaft beitreten. Am 7. Juli meldete von Mazenod an einen Mitbruder, er habe eine neue Berufung entdeckt: „Einen Engel an Tugend und einen angenehmen Menschen“.
Eugens Begeisterung für den Novizen verdeckt aber nicht dessen Blick auf die Schwächen Albinis: Er „hat den Fehler, dass er sich einfach nicht entscheiden kann, oder auch, wenn er sich entschieden hat, endlos zu zögern, bevor er zur Ausführung des Beschlossenen kommt. Man muss ihn, ohne rücksichtslos zu sein, mit Bestimmtheit dazu bringen, zu tun, was er zu tun hat.“
Dennoch machte Albini einen so guten Eindruck, dass er nach drei Monaten im Noviziat zu den Gelübden zugelassen wurde, die er am 1. November 1824 ablegte.
Schon während des Noviziats lehrte Albini die anderen Novizen und Scholastiker Latein, Italienisch und Moraltheologie. Auch war er wesentlich an der Übertragung der Regel ins Lateinische beteiligt.
Am meisten begeisterte sich Albini für die Volksmissionen, deren er zwischen 1824 und 1827 16 in sechs Diözesen hielt.
Im Sommer 1827 wird Albini zum Professor für Moraltheologie am Seminar von Marseille ernannt, dessen Leitung die Oblaten übernommen hatten.
Dort hatte er zwei Aufgaben: auf intellektueller Ebene musste er sein Fach inhaltlich beherrschen und angemessen darlegen können; in moralischer Hinsicht sollte er ein beispielhaftes von regeltreues Leben führen. Albini hielt sich in beidem an die Lehre des Alfons von Liguori – damit entsprach er der Vorstellung Mazenods.
Im Sommer 1834 nahm der Stifter das Angebot des Bischofs von Ajaccio auf Korsika an: Die Oblaten gründeten dort ein Priesterseminar und übernahmen dessen Leitung. Albini wurde als Professor für Moraltheologie auch in diesem Seminar eingesetzt.
Ab 1836 war Albini zudem Superior des neuen Hauses in Vico, etwa 50 km von Ajaccio entfernt. Von nun an bewegte sich sein Leben zwischen der Lehre in Ajaccio und Vico, von wo aus er zahlreiche Volkmissionen hielt – letzteres entfachte mehr Begeisterung in ihm.
Gerade über diese Zeit auf Korsika gibt zahlreiche Berichte, laut denen Albini schon zu Lebzeiten Wunder gewirkt haben soll. Die meisten Zeugenaussagen darüber sind aber erst nach Jahrzehnten dokumentiert worden. Dennoch trugen diese Erzählungen zu seiner Verehrung auf der Insel bei – die noch immer anhält.
Auch ein Seligsprechungsprozess für Albini wurde 1915 eröffnet - stockt aber seit längerem, da bislang kein Wunder auf seine Fürsprache hin anerkannt wurde. Freilich: 1968 wurde er als verehrenswert anerkannt.
„So verkörpert Pater Albini am vollkommensten den Oblaten, wie der Stifter ihn wollte und wie die Regel ihn beschreibt.“ Dieses Kompliment von Yvon Beaudoin OMI fasst die Stellung zusammen, die Charles Dominique Albini in der Gemeinschaft der Oblaten besitzt.
Obwohl er schon 1839 gestorben war, blieb sein Ruhm als Vorbild durch die Zeiten erhalten.
1933/1934 beschrieb Charles Thévenon OMI (1862-1934) die Erzählungen über Albini: Er „wurde uns immer als das vollkommenste Modell aller Tugenden vorgestellt, nach denen wir streben sollten, sei es während des Noviziats sei es danach.“ Eine Erzählung, die Thévenon auch selbst weitergab:
„Während der langen Jahre meiner Amtszeit als Superior unseres Scholastikates habe ich diese Tradition aufrechterhalten, den Diener Gottes als herausragendes Modell darzustellen“.
Er wurde uns immer als das vollkommenste Modell aller Tugenden vorgestellt
Dieser Nachruhm ist erstaunlich: Albini gehört zwar zu den frühen, aber nicht zu den Gründungsgestalten der Gemeinschaft; seine Wirkungszeit war zudem nur kurz: Albini trat 1824 in die Kongregation ein, acht Jahre nach deren Gründung. Und er starb schon 15 Jahre später, 1839.
Worin liegt das Geheimnis des bleibenden Ruhms Albinis?
Im November 1838 erkrankte Albini an Fieber. Sein Oberer beurteilte die Lage sehr ernst: „Wenn sich bis morgen nichts ändert, werde ich ihm die heilige Wegzehrung reichen und die Krankensalbung spenden. Was mir am meisten Sorgen macht, ist sein Alter und dass sein von Arbeit und Mühen erschöpfter Körper kaum Kraftreserven hat.“
Von dieser Krankheit, die Ärzte diagnostizieren später Typhus, wird sich Albini nicht mehr erholen. Nach einer Phase der Besserung Anfang des Jahres 1839 verschlechtert sich sein Zustand wieder; am 20. Mai stirbt er am Morgen.
Eugen von Mazenod schrieb an einen Mitbruder: „so wird uns also dieser Mann genommen, der für unsere Kongregation so viel bedeutet, dieser Mann, denn so einzigartiger Weise für das Land bestimmt war, dass ihm als Anteil zugefallen war. Es ist ein übergroßes Opfer, dass Gott von uns fordert.“
Wieso war es ein solch „übergroßes Opfer“, wie Mazenod es beschreibt?
„Er hat ernsthaft daran gearbeitet, heilig zu werden durch die Praxis der evangelischen Räte. Er hat zugleich vollkommen die erste Aufgabe der Kongregation verwirklicht, die Verkündigung des Wortes Gottes bei den Armen, ebenso wie die wichtige zweite Aufgabe, die Leitung von Seminaren“, so Yvon Beaudoin OMI im Vorwort seines Buches über Albini.
Und so konnte P. Josef Gerard 1913 an den Bischof Dontenwill schreiben: „Unser verehrter Pater hat die Schönheit der drei großen Ziele unserer Kongregation verstanden: Apostel der Armen sein, Lehrer der Kleriker sein, die Apostel werden müssen, jeden Tag nach Vervollkommnung streben.“
Dr. Maximilian Röll