Das „zweite Ich“ des hl. Eugen
Vorschau Kreuze, die auf einem Tisch um eine Kerze gruppiert liegen.

Das „zweite Ich“ des hl. Eugen

„Das „zweite Ich“ seines Ordensoberen und Bischofs, der „zweite Vater“ der Oblatenmissionare - stets war François Tempier der Mann hinter Eugen von Mazenod, im Schatten des charismatischen Stifters, sodass er sich manchmal wie ein „gewöhnlicher Sekretär“ fühlte. So blieb Tempier außerhalb der Mazenodfamilie ein Unbekannter. Dabei hätte er deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient.

Auf dem Weg
Platz in Saint-Cannat, dem Geburtsort von Tempier Foto: René Hourdry (Wikimedia Commons)
Der Ruf Eugens

Der Absender war Eugen von Mazenod, den Tempier wohl schon aus seiner Zeit im Priesterseminar kannte. Der so Umworbene antwortete begeistert: Er würde sich glücklich schätzen, bei der Unterweisung der Landbewohner mitzuwirken; vor allem hege er den Wunsch, ein heiliger Priester zu sein, sich „dem Heil der Seelen zu widmen, ohne eine andere Belohnung hier auf Erden zu erwarten als viel Mühe und Arbeit.“

Am 27. Dezember traf Tempier im alten Karmelitinnenkloster von Aix ein, von dem Mazenod für seine Gründung einen Teil erworben hatte. Schnell wurde Tempier der engste Mitarbeiter des Stifters; schon am 11. April 1816 legten beide die gegenseitigen Gelübde des Gehorsams ab – die übrigen Mitglieder der jungen Gemeinschaft sollten erst später folgen.

Die ersten Jahre

Tempier scheint innerhalb der Gruppe ein besonneneres Verhältnis zu seinen Aufgaben gehabt zu haben. So kommentiere der Vater Eugens, man solle es so machen wie „der hochwürdige Abbé Tempier, der vernünftigerweise auf morgen verschiebt, was er am Vorabend nicht mehr schaffen kann".

Die Rolle Tempiers

Tempier wurde der Vertrauensmann Eugens, engster Mitarbeiter und Assistent. Tempier übernahm dabei die Rolle des ruhigen, ausgleichenden Charakters gegenüber dem Stifter. So bemerkte Abbé Payan d'Augery, der beide kannte: „Sein ruhigeres Temperament milderte, wenn man so sagen darf, die Ausbrüche und das Ungestüm Bischof von Mazenods, bei dem die Heiligkeit den Charakter des Provenzalen hatte überleben lassen.“

Generalvikar von Marseille
Vorschau

In Laos wirkte Tempier einige Jahre als Superior und Seelsorger. Foto: AntonyB (Wikimedia Commons)

Kathedrale von Marseille. Foto: Wikipedia/Michiel1972

So urteilt Beaudoin: „Vielleicht wurde er nie offiziell zum Ökonom der Diözese ernannt, doch tatsächlich liefen alle materiellen Angelegenheiten über ihn.“ Zusätzlich wurde Tempier noch ab 1827 Superior des Priesterseminars, das von den Oblatenmissionaren geleitet wurde. Das Amt hatte er bis 1854 inne und hegte es wie seinen Augapfel, wie Beaudoin schreibt.

Joseph-Marie Timon-David hebt die Rolle Tempiers am Werk des Bischofs Eugen von Mazenod hervor: „Er war eine ehrwürdige Person, unter deren etwas kurz angebundenem Wesen sich eines der besten Herzen verbarg, dem man begegnen konnte. Da er seit der Wiederherstellung der Diözese Marseille Generalvikar war, hat er an all den Werken mitgewirkt, die den langen und fruchtbaren Episkopat Bischof von Mazenods unsterblich gemacht haben.“

„oft recht mürrisch“
Nicht immer blickte Bischof Eugen so gelassen. Und auch sein Generalvikar hatte mürrische Züge
Geistliches Leben

Im Namen dieser Tugend wurde er als Superior nach Laus geschickt und blieb dort; er wurde zum Generalvikar von Marseille ernannt und blieb es; er übernahm, wie bekannt, die wichtigsten Aufgaben in der Kongregation und erfüllte sie. Fortuné de Mazenod fand übrigens 1818, er sei gelehriger und gehorsamer als sein Neffe, und nach 1861 bekennt der neue Generalobere Pater Fabre, er habe keinen gehorsameren Untergebenen als ihn.“

Die letzten Jahre

1865 bis 1867 war Tempier Superior des neuen Generalhauses in Paris und blieb auch danach die meiste Zeit dort. Seine letzten Lebensjahre waren von zunehmender Krankheit geprägt.

Tempier starb am 9. April 1870. In einem feierlichen Gottesdienst während des Generalkapitels von 1873 erinnerten sich die Oblaten an den „ersten Gefährten unseres Stifters, an seinen unermüdlichen Freund, an den, der als unser zweiter Vater gelten kann“.

Ein Artikel von Dr. Maximilian Röll