Es fällt schwer, es sich auch nur vorzustellen: Magenkrank und geschwächt bekam Pater Josef Cebula nicht einmal mehr die dünne Suppe hinunter, die ihm die Wachen im KZ zuteilten; er konnte sich nicht mal allein hinlegen, als die SS-Wachen in die Baracke platzten, ihn ins Bad zerrten und so lange schlugen, bis er ohnmächtig wurde; am Ende seines 21-tätigen Martyriums in Mauthausen musste er aus dem Steinbruch Brocken heraustragen, so schwer, dass er sie nicht einmal allein anheben konnte. Auf der Flucht, so logen die KZ-Aufseher, wurde Josef Cebula an diesem Tag erschossen.
Das Leben, das am 9. Mai 1941 so endete, begann am 23. März 1902 in Malnia, im damaligen deutschen Oberschlesien.
Josef Cebula stammte aus einer polnischsprachigen katholischen Familie. Er wird in Erinnerungen als frommes, zurückgezogenes Kind beschrieben.
1916 schrieb er sich in das katholische Lehrerseminar in Oppeln ein.
Im Dezember 1918 erkrankte er schwer - möglicherweise aufgrund der Anstrengungen des Studiums. Der Arzt diagnostizierte eine Rippenfellentzündung, möglicherweise war es Tuberkulose. Er kehrte in seine Heimat zurück, wo er mit Erfolg behandelt wurde.
1920 unternahm er eine Pilgerreise zum Marienheiligtum von Piekary. Dort wurde er auf die Oblatenmissionare aufmerksam. 1921 begann er bei ihnen sein Noviziat in Markowice. 1927 wurde er zum Priester geweiht.
Seit 1931 war Pater Cebula Superior des Juniorates in Lublin. 1936 wurde er als Provinzial der polnischen Provinz vorgeschlagen – was er ablehnte. Stattdessen ging er 1937 als Superior des Noviziates nach Markowice zurück – wo er auch Novizenmeister war. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er am Generalkapitel 1938 nicht teilnehmen.
In den Jahren, in denen Pater Cebula Superior des Juniorates war, stieg die Zahl der Schüler von 220 auf 280. Es war Pater Cebula wichtig zu betonen, dass es sich um eine Schule für Priesteramtskandidaten handelte. Er selbst unterrichtete Polnisch, Französisch, Mathematik und Geographie.
Er kümmerte sich sehr um seine Schüler. Als er Vorgesetzter wurde, erhöhte er trotz schwieriger materieller Bedingungen ihre Essensrationen... Er ließ sich verschiedene Überraschungen einfallen, um die Schüler glücklich zu machen.
Tadeusz Krupka trat mit 14 Jahre in Kollegium in Lublin ein. 2020 berichtete dem polnischen Provinzial, wie er Pater Cebula in den 30er Jahren erlebt hat.
Foto: Privatarchiv von Taduesz Krupka
"Über 250 Jungen und Lehrer standen unter der Obhut von P. Cebula. In kürzester Zeit mochten wir ihn alle. P. Cebula erklärte uns die Regeln des Kollegiums so, dass wir es für wichtig hielten, sie aus Respekt vor dem Kollegium einzuhalten, und nicht, weil sie uns auferlegt wurden. Er war ein besonderer Mensch für uns. ... Er war wirklich ein Heiliger, der sich mit größter Sorgfalt um seine Jünger kümmerte, und meine Geschichte bezeugt seine Großzügigkeit.
Mein Vater war ein Invalide aus dem Ersten Weltkrieg und erhielt eine Kriegsrente, die die Sekundarschulbildung meines ältesten Bruders und mir abdeckte. Allerdings im Jahr 1936. Hitler brach den Versailler Vertrag und stellte die Zahlung von Kriegsreparationen ein. Mein Vater verlor seine Rente und konnte seine Studiengebühren nicht bezahlen.
Er war wirklich ein Heiliger, der sich mit größter Sorgfalt um seine Jünger kümmerte
Am Ende des Schuljahres, im Juni 1937, schrieb der Schatzmeister von Lubliniec einen Brief an meinen Vater, in dem er darauf hinwies, dass ich ohne Zahlung des Schulgeldes meine Ausbildung nicht fortsetzen könne. Mein Vater antwortete, dass er leider nicht in der Lage sei, die Gebühren zu bezahlen.
Zur gleichen Zeit erhielt ich einen Brief von Pater Cebula, in dem er mich bat, den Brief des Verwalters zu ignorieren und in die Schule zurückzukehren. Die nächsten zwei Jahre verbrachte ich im Oblate Juniorat in Lubliniec, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Ich wurde drei Jahre lang von den Oblaten ernährt und erzogen, und bis heute bin ich sehr dankbar und versuche, meine Dankesschuld ein wenig zurückzuzahlen."
Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 brachte drastische Veränderungen mit sich.
Wenige Tage nach dem Einmarsch der Wehrmacht fügten polnische Truppen in der Gegend des westpolnischen Markowice deutschen Fallschirmjägern schwere Verluste zu; die Gestapo beschlagnahmte zur Vergeltung das Kloster, stellte die Oblaten unter Hausarrest und verpflichtete sie als Zwangsarbeiter in den Fabriken der Gegend.
Zeitweise wurden drei Patres in Haft genommen, unter ihnen Pater Cebula.
Im Oktober 1940 ließen sich deutsche Siedler im Kloster nieder, im November besetzte die Hitlerjugend das Haus. Pater Cebula wurde erlaubt, wieder dorthin zurückzukehren.
Am 10. Februar 1941 erhielt er die Anweisung, keine priesterlichen Aufgaben mehr wahrzunehmen. Formell fügt er sich, indem er aufgrund dieses Befehls darum bat, sich nach Oberschlesien begeben zu dürfen.
Heimlich aber setzte er seinen Dienst fort. Denn Pater Cebula war der einzige Priester in der Gegend, der sich frei bewegen kann. So spendete er heimlich die Sakramente. Selbst eine Trauung war darunter.
Die Braut erinnerte sich: „Es war eine wunderbare Trauung. Pater Josef war ein heiliger und frommer Priester. Er war auch sehr mutig; denn er hatte uns in die Kirche gelassen, obwohl er wusste, dass die Deutschen ihn jeden Augenblick überraschen konnten, um ihn zu töten. Das war unser Priester!“
Doch lange blieb sein Wirken nicht verborgen. Am 2. April wurde er verhaftet.
Zunächst kam er ins Sammellager Inowroclaw; von dort wurde er 13 Tage wohl über mehrere Stationen transportiert, bevor er in Mauthausen, östlich von Linz gelegen, ankam. Es ist unklar, wieso der Weg so lange gedauert hat. Josef Pielorz OMI vermutet, dass er zwischenzeitlich von der Gestapo zum Tod verurteilt worden war, die Bestätigung des Urteils aus Berlin aber auf sich warten ließ.
Sicher kann dagegen gesagt werden, dass Pater Cebula am 18. April in Mauthausen registriert wurde. Mauthausen gehörte zu den Lagern für „Schwerverbrecher ohne Hoffnung auf Besserung“ – dort ging es darum, die Insassen entweder direkt oder vermittels Arbeit zu ermorden.
Pater Cebula kam schon völlig entkräftet im Lager an. Dort wurde es noch schlimmer, da Häftlinge bewusst schlecht versorgt wurden. Die tägliche Ration umfasste 1500 Kalorien – benötigt wurden aber 3000 Kalorien.
Doch Pater Cebula geht es schon bei seinem Eintreffen so schlecht, dass er nicht einmal diese kleine Ration ganz zu sich nehmen konnte. Hinzu kam, dass er von den Wärtern misshandelt wurde. Ein Mitgefangener berichtete später: "Ich schlief neben ihm. Abends misshandelte man ihn und schlug ihn derart, dass er nichts essen konnte. So überließ er mir seine Abendration."
Dnalor 01 (Wikimedia Commons), CC-BY-SA 3.0
Das Martyrium Pater Cebulas dauerte 21 Tage.
Wahrscheinlich am letzten Tag seines Lebens, am 09. Mai, kam er in die Strafkompanie, dem „Vorzimmer zum Tod“, wie Josef Pielorz OMI in seiner Biographie über ihn schreibt:
„Zur Zeit Pater Cebulas mussten die Angehörigen der Strafkompanie Steinblöcke von 40 bis 60 kg Gewicht auf den Schultern schleppen. Sie mussten dabei die grobgehauenen 144 Stufen der Todesstiege hinaufsteigen und die Steinblöcke innerhalb des Lagers absetzen, wo Bauarbeiten in vollem Gange waren. Immer ging ein Kapo und oft ein SS-Mann neben ihnen her, beschimpften und beleidigten sie ununterbrochen.“
Die genauen Umstände, die zum Tod von Pater Cebula geführt haben, sind unklar, da sich die Zeugenaussagen widersprechen. Manche behaupten, er habe gegen das Vorgehen der Wachen protestiert, die ihn die Steine tragen ließen, manche wissen davon nichts. Einig sind sich die Zeugen nur, dass Pater Cebula bei einem vermutlich vorgetäuschten Fluchtversuch erschossen wurde. Vorgetäuscht freilich nicht von Cebula selbst, sondern von den Wachen, die so die Möglichkeit hatten, Häftlinge zu liquidieren.
Mithäftlinge wurden angewiesen, den Leichnam ins Krematorium zu bringen, damit er dort verbrannt werden konnte. Unklar ist, ob Pater Cebula sofort durch die Schüsse verstarb. Einige Zeugen behaupten, er hätte noch Lebenszeichen von sich gegeben. Er wäre dann lebendig verbrannt worden.
Für die Ermordung von Cebula gab es drei Anlässe: Zum Ersten, dass er polnischer Priester war; für die Nationalsozialisten gehörte er damit zur polnischen Intelligenz, die nach dem Willen Hitlers beseitigt werden musste. Der konkrete Anlass seiner Verhaftung war zweitens, dass er seinen seelsorgerischen Pflichten auch unter Lebensgefahr nachgekommen war. Der Anlass der Schikanen und seiner Ermordung war drittens wohl vor allem, dass er ein Priester war und damit den besonderen Hass des kirchenfeindlichen SS-Wachen auf sich zog.
Sein Tod erfüllt damit die Kriterien des Martyriums, die den Tod aufgrund des Glaubens voraussetzt.
So wurde Josef Cebula am 13. Juni 1999 von Papst Johannes Paul II. zusammen mit weiteren 107 Märtyrern in Warschau seliggesprochen.
Die Verehrung des sel. Josef Cebula ist nach wie vor lebendig. Zum einen bei den Oblatenmissionare, besonders in Polen. In den vergangenen Monaten hat es zahlreiche Veranstaltungen gegeben, in denen sich die polnischen Oblaten vom Charisma des sel. Josef Cebula haben inspirieren lassen.
Aber auch bei den Menschen in seiner Heimatist die Erinnerung an "ihrem Józefek" wach.
So gibt es in seinem Geburtsort Malnia, in Oberschlesien, eine kleine Kapelle, die ihm gewidmet ist, die von den Einheimischen häufig besucht wird.
Er ist nicht irgendein Heiliger vom Altar, sondern einer von uns, wie ein Onkel, Großvater oder Urgroßvater. Es ist ein Bezugspunkt für aktuelle Probleme.
Pater Paweł Gomulak OMI, Medienkoordinator der polnischen Oblatenprovinz, berichtet, was ihn am sel. Josef Cebula fasziniert:
"Was mich im Leben des seligen Josef Cebula fesselt, ist seine Normalität. Er war ein normaler Mann, und seine Menschlichkeit wuchs zur Heiligkeit heran. Einen der schönsten Sätze sagte er: "Auch wenn die Zeiten abnormal und schlecht sind – trotzdem müssen wir an uns arbeiten und nach Heiligkeit streben."
Dieser eine Satz könnte sein Geheimnis der Heiligkeit zusammenfassen. Ich denke, dass sie sich sehr gut mit Papst Franziskus verstehen würden, der im Apostolischen Schreiben Gaudete et Exsultate von einer solchen Heiligkeit spricht. Wenn man sich das Leben von Pater Cebula ansieht, so wuchs er in einem Umfeld auf, in dem es nationale Spannungen gab, die er vor allem in Lubliniec erlebte, aber auch später, als er Oberer und Novizenmeister in Markowice war.
Er war sich selbst und seinen Grundsätzen treu, heldenhaft eifrig in den Pflichten seiner Berufung. […] Er zwang niemanden zu irgendetwas, Er befahl niemandem – Er ließ jeden zu Weisheit und Heiligkeit heranwachsen. Dieser Friede ist die Medizin für unsere Zeit."