Im Markusevangelium erzählt Jesus das Gleichnis vom Sämann.
„Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat und sie brachte keine Frucht. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht; die Saat ging auf und wuchs empor und trug dreißigfach, sechzigfach und hundertfach.“ (Mk 4,3-8)
Diese Erfahrungen haben Missionare immer wieder gemacht. Manchmal beginnen sie hoffnungsvoll eine Mission und es will einfach nicht gelingen. Und an einem anderen Ort ist die Mission erfolgreich.
Wie nah Scheitern und Gelingen beieinander liegen können, zeigen die Missionen des seligen Joseph Gérard.
Joseph Gérard wurde 1831 in der Gegend von Nancy in Westfrankreich geboren. 1851 trat er als Seminarist bei den Oblaten ein. 1853 wurde er von Eugen von Mazenod zum Diakon geweiht. Schon im März des gleichen Jahres erhielt Frater Gérard den Auftrag für die Mission ins südliche Afrika. Am 10. Mai fuhr er mit zwei Mitbrüdern von Toulon aus ab; sie erreichten Ende Januar 1854 in Port-Natal, heute Durban.
In Südafrika wurde er am 19. Februar des gleichen Jahres zum Priester geweiht. Die ersten Monate waren vor allem vom Sprachenlernen geprägt: Zum einen stand Englisch auf dem Programm, denn Port-Natal war englische Kolonie; zum anderen lernte Gérard isiZulu– denn das unabhängige Volk des Zulu sollte missioniert werden.
Schon in der zweiten Jahreshälfte wurde Pater Gérard mit einem Mitbruder als Missionar in das Zulu-Gebiet gesandt. Dort mussten sie zunächst die räumlichen Bedingungen für ihr Wirken schaffen. Die Häuptlinge begegneten den Missionaren mit höflichem Desinteresse, einer stellte ihnen immerhin ein Stück Land für die Kapelle zur Verfügung.
Yvon Beaudoin OMI beschreibt es in seiner Biographie Gérard: „Bevor er anfangen konnte zu predigen, war P. Gérard, hier wie überall anderswo „Maurer, Architekt, Zimmermann und sogar Handlanger.“ Im September 1855 konnte die erste Kapelle geweiht werden.
Gérard war geprägt von den kolonialen Vorstellungen seiner Zeit. Den Zulus begegnete er mit offenem Interesse, aber überzeugt von der Überlegenheit der Christentums und seiner Kultur: „Wenn sie Christen werden“, schrieb er, „werden sie so gut werden, wie sie jetzt verdorben sind, denn sie haben einen gesunden Menschenverstand, sie unternehmen nichts ohne lange Überlegung, und wenn etwas in ihren Augen wertvoll erscheint, folgen sie ihm großmütig“.
Die Mission blieb ohne Erfolg. Denn die Zulus waren ein selbstbewusstes Volk, dass keinen Wert darauf legte, von den „Weißen“ belehrt zu werden. Zumal ihre Gesellschaft auf einer polygamen Familienstruktur beruhte – was die Missionare entschieden ablehnten. Das Gebiet gehörte zum apostolischen Vikariat Natal; dessen Bischof Jean Francois Allard, selbst Oblatenmissionar, beurteilte die Lage 1857: Die unabdingbare Forderung zur der Abschaffung der Polygamie „hieße, ihnen nehmen zu wollen, was in ihren Augen die Quelle ihres Reichtums und ihrer Größe bedeutet.“
Folgerichtig hatte Allard die Missionare schon im Juli 1856 nach Pietermaritzburg zurückgerufen, der nächstgrößeren weißen Siedlerkolonie.
Damit war Eugen von Mazenod im fernen Marseille nicht einverstanden. „Ich bin untröstlich, denn ihr seid nicht für die wenigen Häretiker, die in euren Städten wohnen, geschickt worden.“ Eugen von Mazenod betont, dass die Missionare zu den Zulus gesandt wurden, „ ihre Bekehrung erwartet die Kirche von dem heiligen Dienst, den sie euch übertragen hat“, schrieb er nach Südafrika.
Also wagten die Oblaten 1858 einen Neustart. Die bekannten Probleme blieben. Allard, der selbst in der Mission lebte, schrieb an Eugen von Mazenod über die Zulus: „Was sie durcheinanderbringt, ist der Gedanke, eine Religion anzunehmen, die ihnen nur geistliche Güter vorstellt, die sie nicht verstehen, anstelle der Gewohnheiten und Bräuche, die dem Evangelium widersprechen, von denen sie aber stark abhängig sind.“
Da half es auch nichts, dass die Oblaten sich von anderen Missionaren inspirieren ließen. Den sonntäglichen Gottesdienst feierten sie nach der Gewohnheit der protestantischen Pastoren, da diese Form den Zulus schon vertraut war. Diese Gottesdienste bestanden aus Gesängen, einer Predigt und Litaneien, ohne Zelebration der Messe. Sogar eine zweite Missionsstation bauten die Oblaten in einiger Entfernung.
Was sie durcheinanderbringt, ist der Gedanke, eine Religion anzunehmen, die ihnen nur geistliche Güter vorstellt
Die Zulus kamen Sontags zwar zum Gottesdienst und die Missionare konnten sie regelmäßig besuchen. Aber: An ihrer Lebensweise hielten die Zulus fest. So wurde die zweite Kapelle 1861 abgerissen, die Missionsstation bei der ersten Kapelle wurde nur noch bis auf weiteres besetzt.
Die Oblaten hatten sich ihren missionarischen Eifer bewahrt.
So brachen Allard und Gérard im November 1861 zu einer Expedition zu den Basothos auf, deren Gebiet ebenfalls zum Apostolischen Vikariat Natal gehörte. Dort wurden sie von den Eliten deutlich freundlicher aufgenommen als von den Zulu-Häuptlingen: „Wir erkannten in Molapo einen Mann, der aufrichtig die Wahrheit sucht“, meldete Allard über den Sohn des Königs der Basothos nach Frankreich.
Im August 1862 begannen die Oblaten dann mit der Errichtung einer festen Missionsstation. Vom König Moshoeshoe wurden sie wiederum freundlich empfangen:
„Beim Besuch, den wir ihm abstatteten, sagte er uns, wir sollten sein ganzes Volk unterrichten, und gab uns zu verstehen, dass er wünsche, wir sollten in seinem ganzen Gebiet Missionen errichten ... Obwohl Moshoeshoe noch Ungläubiger ist, hat er Anschauungen, die dem Evangelium entsprechen ... Er hat großes Vertrauen zu uns. Er betrachtet unsere Niederlassung in seinem Reich gleichsam als neue Ära, die sein Volk glücklich macht.“ So schrieb Gerard im Rückblick 1910.
Es waren dieses Wohlwollen, das am Anfang vieles ermöglichte. Denn was die Mission schon bei den Zulus scheitern ließ, gab es auch bei den Basothos: die Polygamie, die paganen Gebräuche und die wichtige Rolle der Magier.
Dennoch betrachten die Missionare die Basothos positiv: „Sie sind ein sehr intelligentes Volk, das die religiösen Wahrheiten gut aufnimmt; sie sind aufrichtig, empfindsam für Ehrenbezeichnungen, zugänglich für Unterweisung und Zivilisation“, schrieb Gerard an Pater Fabre, den Nachfolger Eugen von Mazenods als Generaloberen.
Wieder spricht das Gefühl der Überlegenheit aus Gerard, sowohl seiner Religion als auch seiner Zivilisation. Doch es ist hier kein sturer kolonialer Habitus, sondern zugleich echtes Interesse an den Menschen. Gerard lernt die Sprache Sesotho und gibt einen Katechismus heraus, er besucht die Bewohner der Umgebung und nimmt immer wieder Kontakt auf.
Im Dezember 1864, mehr als zwei Jahre nach seiner Ankunft können dann die ersten beiden Taufbewerber zugelassen werden, im Januar 1866 fanden die ersten Taufen statt. Seit 12 Jahren war Gérard zu diesem Zeitpunkt in Afrika. Es war der Beginn eines Weges, der ihn zum Apostel der Basothos machen sollte.